Wir führen häufig Potenzialanalysen in Logistikunternehmen durch. Besonders spannend dabei ist immer direkte Vergleich von Unternehmen, die die gleiche Speditionssoftware einsetzen. In einem Unternehmen sind die Mitarbeiter mit der Software zufrieden und können damit gut arbeiten, in einem anderen Unternehmen schimpfen die Mitarbeiter über die Software, schlechte Prozessunterstützung und fehlende Funktionalitäten.
Die Unternehmen agieren teilweise sogar in der selben Stückgut-Kooperation, haben das gleiche Geschäftsmodell, aber trotzdem diese unterschiedlichen Sichtweisen bzgl. ihrer Speditionssoftware. Woran liegt das?
Auf das Know-how kommt es an!
Die Mitarbeiter in dem ersten Unternehmen erhalten regelmäßig Schulungen in der Speditionssoftware und wissen so mit der Software umzugehen. Das gilt für neue Mitarbeiter genauso wie für die Nachschulung von bereits längere Zeit im Unternehmen tätigen Mitarbeiter. Die Prozesse werden mit dem Kernsystem abgebildet und unterstützt, für evtl. Schwächen der Software gibt es einen definierten und geschulten „Workaround“.
Bei dem zweiten Unternehmenstyp werden Mitarbeiter nicht mehr aktiv geschult, die dienstälteren Mitarbeitern geben das Wissen an neue Mitarbeiter weiter. Leider ist hierbei häufig das allseits bekannte „Stille-Post-Prinzip“ festzustellen: Das Wissen wird immer weniger und diffuser. Der Azubi aus dem 2. Lehrjahr schult den Azubi aus dem 1. Lehrjahr…
Als Folge wird die Lösung wird nicht mehr richtig genutzt und die Mitarbeiter schaffen sich Nebensysteme in Excel oder auf Papier. Das ist der Beginn von Insellösungen und teurem Wildwuchs der Systemlandschaft.
Wie weit das gehen kann, zeigt ein Beispiel eines Kunden, der bereits das Budget für ein neues Speditionssystem freigeben hatte, weil die Mitarbeiter unzufrieden mit dem System waren – 750.000 EUR!
Hier gab es jede Menge Nebensysteme, das eigentliche Kernsystem wurde nur noch wie eine Schreibmaschine genutzt. Nach den ersten beiden Workshops war klar, das Speditionssystem an sich war gar nicht das Problem, sondern das Know-how der Mitarbeiter im Kernsystem und der Wildwuchs der Nebensysteme.
Das Projektziel wurde neu definiert, die Nebensysteme wurden schrittweise abgeschaltet, der bisherige Softwareanbieter freute sich über einen relativ großen Schulungsauftrag und die Unternehmensinhaber über mehr als 700.000 EUR, die sie eingespart hatten.
Besonders kritisch ist das Thema Schulungen bei Unternehmen, die schon über Jahre bzgl. einem Austausch ihrer Software nachdenken und so kein Geld mehr in Schulungen stecken – weil ja „etwas Neues“ kommt. Ein großer Fehler, denn nach einer Entscheidung (die ja auch nicht von heute auf morgen fällt) dauert eine Softwareeinführung 1-2 Jahre, bis dahin müssen die Mitarbeiter mit der alten Software arbeiten.
Aber egal, ob alte oder neue Software, am Ende ist die Software nur so gut, wie die Mitarbeiter sie bedienen können. Investitionen in Schulungen erhöhen das Know-how, die Prozesseffizienz und – nicht zu vernachlässigen – auch Motivation bei den Mitarbeitern.
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