Das Motto „Never change a running system“ ist in vielen Unternehmen verbreitet – und auf den ersten Blick verständlich. Leider wird hierbei oft die Bewertung der Stabilität sowie Zukunftssicherheit des heutigen Systems vernachlässigt. Denn das IT-System läuft ja – aber wie lange noch?
Bei Logistikunternehmen der Transportlogistik ist das Transport Management System (TMS) das operative Herzstück der IT und meist schon viele Jahre im Einsatz. Die Lizenzen sind bereits abgeschrieben, die reinen IT-Kosten vergleichsweise niedrig, und die Software läuft. Warum sollte man das vorhandene Kernsystem inkl. der vorhandenen Sub-Systeme trotzdem einmal kritisch durchleuchten?
Was sind die Top-Risiken im Bereich der IT-Kernanwendungen?
Geringe Effizienz der Prozesse
Fehlende oder unzureichende Funktionalitäten im IT-System müssen durch Mitarbeiter in den Fachabteilungen „in Handarbeit“ oder über Sub-Systeme ausgeglichen werden.
Die zusätzlich benötigte Arbeitszeit, Fehlerrisiken durch System- und Medienbrüche sowie eventuell zusätzliche Lizenz- und Wartungskosten für die Sub-Systeme bleiben häufig in der Betrachtung unberücksichtigt.
Die Durchgängigkeit der Prozesse und somit eine effiziente Bearbeitung der Aufträge bleiben auf der Strecke.
Fehlende Revisionssicherheit
Als Sub-Systeme werden häufig selbst „gestickte“ Excel- oder Access-Programme eingesetzt. Die Lösungen an sich sind hervorragend und wir staunen in unseren Projekten, was Mitarbeiter alles in Excel kreativ und mit viel Energie umsetzen.
Auf der anderen Seite ist es problematisch, wenn insbesondere kommerzielle Informationen (z.B. Rechnungsbeträge, Rückstellungen) in diesen Programmen gepflegt werden. Eine Änderung der Beträge ist nicht nachvollziehbar (weil nicht dokumentiert ist, wer welche Werte wie und warum geändert hat). Somit ist eine Revisionssicherheit nicht gegeben.
Nur wenig Know-how-Träger
Viele Systeme, unabhängig ob Kernsystem oder ein Subsystem in Excel, sind ursprünglich als „Projekt“ entstanden und über viele Jahre gewachsen.
Oft gibt es nur ganz wenige Personen im Unternehmen (oder sogar gar keine mehr), die entsprechendes Know-how haben oder überhaupt noch Änderungen vornehmen können. Nicht selten bekommen wir zu hören: „Damit kennt sich nur noch Herr X aus“ oder „Entwicklerkollege Y ist gerade in Rente gegangen“.
Auch die verwendete Programmiersprache kann ein Hindernis sein: Gibt es überhaupt noch Programmierer am Markt, die die entsprechende Programmiersprache beherrschen?
Fragwürdige Stabilität des Softwareanbieters
Eine Softwareumstellung eines Kernsystems geht nicht von heute auf morgen, das muss gut vorbereitet und geplant werden. Immerhin lebt ein TMS im Durchschnitt mind. 15 Jahre. Aber überlebt der Softwarelieferant überhaupt so lange? Die Stabilität des Softwareanbieters spielt daher eine große Rolle.
Die Anzahl der echten Know-how-Träger bei dem Softwarelieferanten, seine wirtschaftliche Lage und Bonität, ein plausibles Geschäftsmodell mit erkennbarer Vision und Strategie, eine zeitgemäße Lösungsarchitektur sowie nachweisliche Neukundengeschäfte sind wichtige Indikatoren.
Lückenhafte Dokumentation
Neben der Abhängigkeit von “Kopf-Monopolen” sind viele Lösungen zudem häufig schlecht dokumentiert und damit in Summe ein Fall für das „Risiko Management“ mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und geschäftskritischer Auswirkung.
Eine saubere und vollständige Dokumentation der kompletten IT ist elementar. Idealerweise wird aus der Dokumentation deutlich, welche Teilprozesse von welchen Systemen (einschl. Schnittstellen) unterstützt werden und – umgekehrt – welche operativen Prozesse betroffen sind, wenn bestimmte Systeme/Schnittstellen temporär ausfallen.
So kann bei der Risikoanalyse eine Priorisierung bzgl. Risiken (was passiert, wenn die Software nicht mehr läuft?) und der erforderlichen Maßnahmen vorgenommen werden.
Geringe Flexibilität bei neuen Marktanforderungen / Technischer Fortschritt
Die Kunden stellen – getrieben von deren Kunden – immer höhere Anforderungen zum Thema Transparenz. Nur mit Hilfe von modernen Instrumenten wie Web-Portal, Apps und einfachem Datenaustausch (Web-Services, Cloud) wird man in Zukunft im Wettbewerb bestehen können.
Lösungen am Ende des Lebenszyklus können solche Anforderungen häufig nicht oder nur mit sehr großem Aufwand erfüllen. Hierdurch verliert der Logistikdienstleister die vom Markt geforderte Flexibilität. Moderne Systemarchitekturen erleichtern und verkürzen die Anpassungszeit der bestehenden Software bei neuen Kundenanforderungen und Geschäftsmodellen.
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