„Unsere Kunden sind mit der Leistungserbringung im Service A nicht zufrieden. Bitte analysieren Sie die aktuellen Schwachstellen des Geschäftsprozess und erarbeiten eine Optimierung“.
Was sich wie ein klarer, eindeutiger und einfacher Projektauftrag des Kunden anhörte, erwies sich als eine detektivische Herausforderung, bei der letztlich in softwarearchäologischer Kleinarbeit und investigativen Interviews mit den beteiligten Personen bestehende Umsetzungen freigelegt und die tatsächliche Abbildung des Service in Organisation und IT-Unterstützung rekonstruiert werden musste, so dass auf dieser Basis tatsächlich Schwachstellen gefunden und Optimierungen implementiert werden konnten.
Schein und Sein
Auf die Frage nach der aktuellen Beschreibung zum Service und dem Geschäftsprozess wurden rasch umfangreiche Dokumentationen zur Verfügung gestellt. IT-Dateien in unterschiedlichen Formaten (z.B. .pdf, .xls, .ppt, .doc,.txt) oder sonstige Dokumente (z.B. Ausdrucke, Grafiken, Prozessdiagramme, Screenshots) erzeugten dabei die trügerische Sicherheit, alle notwendigen Informationen für eine schnelle Ist-Analyse in den Händen zu halten.
Die konkrete Sichtung der Unterlagen ergab dann leider nicht die erhoffte Transparenz, sondern förderte mehr Fragen als Erkenntnisse zu Tage:
- Waren die Unterlagen alle aktuell, oder handelte es sich schlichtweg um eine Sammlung all dessen was über die Jahre zu dem Thema mit mehr oder weniger Relevanz gesammelt und jetzt gefunden werden konnte ?
- Was war eigentlich der konkrete Geschäftsprozess für den Service A, und wo war dieser zusammenhängend beschrieben ? Welche Kriterien (KPI – Key Performance Indikatoren) waren für das Monitoring des Geschäftsprozess implementiert ?
- Die vorhandenen IT-Systeme unterstützen eine Vielzahl von Prozessen und Applikationen. Was aber sind genau die beteiligten IT-Systeme für den Geschäftsprozess und wie ist deren spezifische Abbildung für den Service A ?
- Wurden die in den Anforderungsdokumenten beschriebenen Soll-Anforderungen auch umgesetzt und entsprachen damit nicht nur einer Absichtserklärung, sondern der tatsächlichen Ist-Situation ?
- Wieso ergeben die Beschreibungen des jeweiligen Delta der einzelnen über die Jahre durchgeführten Anpassungen keine konsistente Kette ? Fehlen eventuell einzelne Beschreibungen, die den „missing-link“ beinhalten ?
Konsequenzen
Letztlich ergab sich, wie bereits zu Beginn beschrieben, keine andere Möglichkeit, als das Wissen aus den Köpfen der beteiligten Mitarbeiter zu erfragen und um Analysen der bestehenden Ist-Umsetzung in den IT-Systemen, bis hin zum teilweisen Codereview, zu ergänzen. Auf dieser Basis wurde dann eine mit relativ hohem Aufwand eine zusammenhängende Ist-Dokumentation gefertigt.
Die ursprünglichen Zeitpläne zur Optimierung mussten korrigiert werden und bereits vorhandenes, aber leider verloren gegangenes Wissen, musste mit nachträglichen Aufwänden ausgegraben und dokumentiert werden. Vordergründig aus Sicht des Beraters eine zusätzliche erfreuliche Faktura. Langfristig aber eine Argumentationsbarriere, da Optimierungsprojekte in einer undetaillierten Gesamtrückschau zu Unrecht als eher langwierig und teuer erscheinen.
Erkenntnisse
Eine gute Dokumentation beschreibt verständlich und nachvollziehbar die aktuelle Ist-Situation. Delta – Beschreibungen sind im überschaubaren und nachvollziehbaren Maß möglich, sollten aber von Zeit zu Zeit immer wieder in eine Gesamtdarstellung integriert werden. Neben fachlichen und inhaltlichen Beschreibungen sollten unmittelbar die unterstützenden IT-Systeme / Applikationen und die darin beinhaltete Umsetzung zusammenhängend dargestellt werden.
Lassen Sie z.B. stichprobenweise die Dokumentation zur Abnahme von unabhängigen Personen auf Lesbarkeit sowie Verständlichkeit prüfen und sich dann mit deren eigenen Worten den Geschäftsprozess gesamtheitlich erklären.
Wie leicht könnten sich dann Mitarbeiter einarbeiten / orientieren und ein umfassendes Prozessverständnis für den Gesamtprozess sowie die von ihnen jeweils konkret betreute Aufgabe entwickeln?
Wie bequem könnten Sie zusätzliche Anforderungen an eine IT-Unterstützung definieren und den Einsatz potenzieller Standard-Software auf deren Abdeckungsgrad hin überprüfen?
Eine gute Dokumentation definiert Messwerte / Key-Performance-Indikatoren, die Aufschluss über die Prozessqualität und die Ergebnisqualität liefern.
Wie einfach könnten Sie Abweichungen zu den Messwerten Monitoren und Korrekturen vornehmen, deren Erfolg Sie gleichzeitig wieder messen können?
Eine gute Dokumentation ist kein unnötiger Zusatzaufwand, sondern sichert zusätzlich die bereits getätigten Investitionen. Die nächste Geschäftsprozessoptimierung kommt bestimmt und wird es Ihnen danken.
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