Eine der größten Herausforderungen im Projekt-Alltag ist die Beherrschung der Komplexität. Im besten Fall erhöht sie nur die Aufwände und Kosten, im schlimmsten Fall lähmt sie die Umsetzung wesentlicher Potenziale, wie die drei Beispiele zeigen.
Das Wunschkonzert ist eröffnet
Ein Softwareanbieter erstellt das Pflichtenheft für ein Transport Management System (TMS). In den Workshops soll der Kunde schildern, was er gerne an Prozessunterstützung haben möchte. Der Mitarbeiter des Softwareanbieters dokumentiert diese Anforderungen 1:1. Das alles erfolgt ohne permanenten gemeinsamen Abgleich am System. Eigentlich wäre es ja interessant und auch für die User besser nachzuvollziehen, wie die Anforderung heute im Standard abgebildet wird…
Nach einem Jahr reklamiert der Softwareanbieter beim Kunden. Die seinerzeitigen Anforderungen seien zu aufwändig. Er kann seine Einführungstermine nicht halten. Für den Anbieter ist klar: Der Kunde ist schuld. Mit der richtigen Vorgehensweise auf Seiten des TMS-Anbieters hätte man sich viel Zeit und Aufwand sparen können
Alles auf einmal wollen
Die Mitarbeiter in der Spedition waren von der Idee sofort Feuer und Flamme. Die „Papier-basierte Abwicklung“ bis Ende 2019 abzuschaffen, wäre super. Als erstes könnten die Faxgeräte abgeschaltet werden. Aber muss man das Thema, so die Geschäftsführung, nicht etwas umfassender aufsetzen? Mindestens sollte man das Thema Dokumenten Management Tool, die Anbindung der ausländischen Standorte, Besonderheiten in einem osteuropäischen Land etc. berücksichtigen. Die daraus resultierende vielseitige Projektdefinition wird monatelang auf allen Ebenen im Unternehmen diskutiert. Ob das Projekt bis Ende 2019 wohl zumindest begonnen wird?
Alles geht automatisch
Die TMS Einführung bietet die Chance, den Tarif- und Konditionendschungel gründlich zu durchforsten. Bewährtes Vorgehen: Man schaut sich nach dem Pareto-Prinzip (80/20-Regel) die größten Kunden an, kümmert sich um die Standardisierung der Konditionen und deren automatisierte Übernahme mittels Standard-Upload in das neue System. Der Rest wird sukzessive manuell übernommen, wenn der Tarif/die Kondition tatsächlich benötigt wird. Man kann es auch komplizierter haben. Alle bestehenden Tarife, auch solche von Relationen, die praktisch nie in Anspruch genommen werden, werden als Stammdaten automatisiert übernommen. Das dafür geschriebene Programm ist so komplex, dass es nur noch ein einziger Mitarbeiter auf Kundenseite bedienen kann. Auch der Entwickler blickt manchmal selbst nicht mehr durch.
Komplexität – Was hilft?
Wesentlich ist, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Wo liegen die echten Potenziale? Was erhöht hingegen nur die Komplexität? Bei jeder Aktion sollte kritisch hinterfragt werden, ob das Verhältnis von Aufwand und Nutzen stimmt.
Es gibt aber auch positive Beispiele: Ein globales Logistikunternehmen hat vor kurzem sein recht dickes Organisationshandbuch auf den Prüfstand gestellt. Was davon übrig blieb, ist in 10 konkreten Leitsätzen formuliert und passt auf anderthalb DIN A 4 Seiten. Ein interessanter und mutiger Ansatz.
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